„Don’t buy this jacket“ – Worauf man beim Kauf von Outdoor-Fashion achten sollte

Yvon Chouinard provoziert gern! Der Firmengründer des Outdoor-Labels Patagonia hat dabei durchaus visionäre Qualitäten, denn er ließ bereits vor zwei Jahren eine Werbung in der New York Times schalten, die zunächst wie ein April-Scherz wirkte. „Don’t buy this jacket” stand da frech über einer kuscheligen Fleece-Jacke – die noch dazu aus der eigenen Produktion stammte.
Dass es bei Patagonia erster Linie um soziale Verantwortung, korrekte Arbeitsbedingungen und Entlohnung geht, ist schon lange bekannt. Der Outerwear-Spezialist, der seinen Firmensitz in Ventura (Kalifornien) hat, gilt als Vorreiter in der Bekleidungs- und insbesondere der Outdoor-Branche. So ermittelt das 1972 gegründete Unternehmen grundsätzlich die ökologische Belastung jedes einzelnen Kleidungsstückes, die danach in den Footprint Chronicles® veröffentlicht wird.
Unter anderem wird seit 1996 nur noch Bio- statt herkömmlicher Baumwolle verwendet. Ein Trend, den viele Fashion-Konkurrenten erst ignorierten, dann belächelten und schließlich doch mitmachten und sich aktuell sogar extragroß auf die Fahnen schreiben.
„Bewusst leben kann ganz schön lästig sein”, betont Yvon Chouinard gern mit ironischem Unterton. Aber frei nach dem Umweltaktivisten Gerald Amos findet auch er, dass unser kostbarstes Recht, das Recht auf eigene Verantwortung ist.
Und so hat sich Patagonia als Mitbegründer der Allianz One Percent for the Planet verpflichtet, 1% des Gesamtumsatzes oder 10% des Gewinns an Umweltorganisationen zu spenden. Reparieren, Recyceln, Weiterverwenden oder auch Weiterverkaufen – „Shared Economy“, ein neuer Konsumtrend, der gerade immer mehr Freunde findet, gehört bei Patagonia schon seit Jahren unbedingt zur Firmenphilosophie. So werden Fleece-Jacken aus alten Plastikflaschen hergestellt, es wird genau überlegt, welches Papier für die Patagonia-Kataloge Verwendung findet oder wie viel Energie für Produktion und Auslieferung benötigt wird.
„Der Wachstums- und Konsumrausch unserer Zeit ist die Ursache vieler Probleme, mit denen Patagonia zu kämpfen hat“, heißt es auf der Unternehmenswebsite. Dass wir lernen müssen, mit begrenzten Ressourcen zu leben, ist klar! Dass sich gerade ein Outdoor-Unternehmen hier engagiert, ist allerdings erstaunlich. Denn technische Finessen und hochfunktionelle Details lassen sich selten ohne den Einsatz giftiger Chemie bewerkstelligen.

„Ecorrect Outerwear“



So weiß man bereits seit 1981, das beispielsweise Perflouroktansäure (PFOA) schwer gesundheitsgefährdend ist. Doch genau diese giftige Chemikalie ist dem Outdoor-Modeunternehmen Jack Wolfskin erst kürzlich eine große Meldung in Sachen Eigen-PR wert gewesen. Ab Herbst/Winter 2013/14 will man seine Produkte nicht mehr mit PFOA ausrüsten. Das hätte im Grunde natürlich schon vor 32 Jahren passieren können.
Fragwürdig ist, dass ausgerechnet der große Nachhaltigkeits-Pionier Patagonia in der PFOA-Frage recht verhalten agiert. Flourchemie-frei will man hier erst bis Herbst 2015 sein. Reichlich spät findet das auch Greenpeace, das in Tests nachgewiesen hat, dass diese insbesondere Patagonia-Jacken zu den am höchsten belasteten gehören. Nicht nur eingefleischte Patagonia-Fans sind da irritiert.
Das kann dem Outdoor-Ausrüster Pyua nicht passieren. Das Unternehmen wurde erst vor fünf Jahren gegründet und hat sich gleich den markanten Untertitel „Ecorrect Outerwear“ verpasst. Dreimal in Folge gewannen die Kieler mit ihrem überzeugenden Konzept bereits den ECO Responsibility Award, den die weltgrößte Wintersportmesse ISPO alljährlich verleiht.
Die Idee, die sich „Closed-Loop-Recycling“ nennt, wurde gemeinsam mit der Textil Recycling K.&A. Wenkhaus GmbH erarbeitet. Kurz gesagt geht es darum, dass sichergestellt wird, dass sämtliche PYUA-Produkte auch nach ihrer finalen Entsorgung wieder zu neuen Produkten recycelt werden, also wieder im Kreislauf landen: Zum Beispiel landen Polyester-Stoffe nicht auf der Müllkippe sondern werden wieder zu neuem, hochwertigen Polyestergarn gesponnen, oder Zipper und Knöpfe finden im Straßenbau Verwendung
Pyua-Gründer Timo Perschke hat sich von Anfang an mit ökologischen Stoffen beschäftigt und hat sich entschlossen, mit nur wenigen Zulieferern zusammenzuarbeiten. Im Zweifel fliegt ein Material raus, das nicht den ökologischen Vorstellungen von Pyua entspricht. Perschke räumt allerdings auch ein, dass er mit seinem vergleichsweise kleinen Unternehmen einen Vorteil gegenüber manchem Outdoor-Riesen hat: „Wir müssen nicht über 20 Länder hinwegdenken.“

Outdoor-Fashion als Prestigeobjekt



Die Devise Style, Funktion und Nachhaltigkeit miteinander zu kombinieren, kommt beim Endverbraucher jedenfalls gut an – und immer öfter wird neuerdings auch im Einzelhandel nachgefragt, wenn’s um Ausrüstung oder chemische Finishings von Outdoor-Bekleidung geht.
Fest steht: Outdoor-Fashion und -Accessoires sind mittlerweile zum allgemeinen Prestigeprodukt avanciert. So trägt der hippe Großstädter gern seine teure Funktionsjacke spazieren, die er bei einer Südpol-Expedition eigentlich viel besser gebrauchen könnte, und der durchschnittliche Rentner ist beim morgendlichen Nordic Walking besser ausgerüstet, als Reinhold Messner bei seiner ersten Mount Everest-Besteigung. Gern regen wir uns über die Vorstadt-Mutti auf, die mit dem wüstentauglichen SUV ihren Sprössling zur Kita kutschiert, übersehen dabei aber gern, dass die Outdoor-Branche allein in Europa satte 4,5 Milliarden Euro umsetzt – und uns allen klammheimlich in den Kopf gesetzt hat, dass es ohne superfunktionelle Finessen auch im mitteleuropäischen Alltag nicht geht.
Langsam aber sicher wandelt sich diese Einstellung. Gut zu wissen, dass es inzwischen immer mehr Alternativen gibt. Denn eins steht fest: Der Konsument hat es in der Hand!

Folgender Image-Film von Pyua erklärt das Konzept von „Ecorrect Outerwear“:



Mehr zum Thema „Chemie in Outdoor-Kleidung:
http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/natur-outdoorkleidung-mit-schaedlicher-chemie-a-904837.html



Text: Gerlind Hector