Dries van Noten: H&M, nein Danke!

Niemals bei den Zutaten sparen, lautet eine wichtige Regel, wenn’s um echte Qualität geht. Das gilt in der Küche genauso wie beim Thema Kleidung. Denn das rächt sich irgendwann. Sei es, dass man sich am Billigfleisch aus Massentierhaltung die Zähne ausbeisst, oder der Reißverschluss die Seinen gleich ganz verliert, und zwar schon nach der dritten Wäsche.
Ein Ärgernis, das es zu vermeiden gilt. Gute Meister bringen ihren Lehrlingen dies schon im ersten Ausbildungsjahr bei – der Koch wie der Schneidermeister, und wer sein Produkt liebt, der kommt erst gar nicht in Versuchung. Auch wenn’s am Ende ein wenig teurer für den Kunden wird; Qualität hat eben ihren Preis!
Wir versuchen, ehrliche Preise zu machen“, erklärt der belgische Designer Dries van Noten, dessen Vater Herrenausstatter und Großvater Schneider war, in der SZ am vergangenen Wochenende. „Wir recherchieren und entwickeln sehr viel, hinzu kommen die Stoffe, die Handarbeit, die Shows, all das ist sehr kostspielig.“

Wie da eine Kooperation, bespielsweise mit dem Textil-Giganten H&M, möglich sein soll, ist dem Antwerpener, dessen Unternehmen rund 50 Millionen Euro Umsatz pro Jahr macht, schlicht rätselhaft: „19 Euro für ein Hemd bei H&M – sorry, dafür kriegen wir nur die Knöpfe.“ Dass Umsatz nicht gleich Gewinn ist, weiß man zwar, im Falle von Dries van Noten bekommt diese Tatsache aber ein besonderes Gewicht. Glaubwürdigkeit und ein selbständiges Arbeiten gehen ihm eindeutig über Profit.
Nun hat das schwedische Unternehmen, dessen Preise für Herren-Tank-Tops aktuell bei 6,95 Euro beginnen – und die gehören noch nicht zur Sales-Ware – wohl durchaus schon bei Dries van Noten angefragt. Aber er sei „in der Tat nicht so interessiert“, erwähnt van Noten beiläufig in der SZ. Der Grund sei denkbar einfach, denn wie solle man der Kundschaft die Preise erklären, wenn etwas Ähnliches beim Textil-Discounter nicht mal ein Viertel davon koste aber der gleiche Name drinstehe?

Dass damit weder Karl Lagerfeld noch Sonia Rykiel noch Rei Kawakubo ein Problem hatten, ist interessant. Auch die Tatsache, dass eine Zusammenarbeit mit dem Label Martin Margiela erst zustande kam, nachdem der intellektuell-avantgardistische Firmengründer – übrigens auch ein Belgier – persönlich die Firma verlassen hatte, macht nachdenklich. Im Falle von Stella McCartney, die im Jahr 2005 mit H&M kooperierte, ist man allerdings wirklich verwundert. Die britische Designerin, die sonst so viel Wert auf Nachhaltigkeit und faire Produktion legt, schwadronierte seinerzeit, ihr gehe das elitäre Gehabe um Luxusmode ohnehin auf die Nerven.
Indem sie ein T-Shirt, das in ihrer eigenen Kollektion das Zehnfache kostet, zum Preis eines Taschenbuchs verkauft, kannibalisiert sie sich selbst“, schrieb damals die FAZ kritisch über McCartney und ihre Entwürfe für Hennes & Mauritz. Hier werde eine zum großen Teil junge Kundschaft an Designermode herangeführt, die sich freilich nicht nur kaum vom Rest des Sortiments unterscheidet, sondern auch ein kreativer Flop sei, hieß es weiterhin.

Da ist es nur gut, dass wir aktuell den Begriff „Luxus“ neu definieren. Fair Fashion statt Fast Fashion und Liebe zum Detail statt Billig-Blingbling. Dries van Noten, der seit 1986, dem Gründungsjahr seines Unternehmens, Alleininhaber ist, musste seine Kreativität zum Glück nie einschränken zum Wohle irgendwelcher Bilanzen. Tonnen von Geld verdienen will er gar nicht: „Wieviel Geld braucht man zum Leben? Ich lebe sehr angenehm, es geht mir gut … ich schätze mich glücklich.
Wer mag, kann übrigens noch bis zum 2. November 2014 seine Ausstellung „Inspirations“ im Pariser Modemuseum bewundern und sich gleich selber inspirieren lassen.