Zeitlos und puristisch – Jil Sander und ihr untrügliches Gespür für Stil wird mit einer umfassenden Ausstellung im Frankfurter Museum für Angewandte Kunst gewürdigt. Noch bis zum 6. Mai 2018 wird unter Beweis gestellt, dass hochwertige Mode über Jahrzehnte geliebt und getragen wird – vor allem, wenn „Modisches“ keine Rolle spielt.
Was will Mode? Im besten Fall spiegelt sie den Zeitgeist wider und will ansonsten hauptsächlich eines: geliebt werden! Denn nur dann tragen wir sie, die Jacken, Kleider und Hosen. Wenn wir sie wirklich lieben und zwar nicht nur einen Sommer lang, sondern länger, gern über Jahre.
Heidemarie Jiline Sander, die 1968 ihre erste Boutique im Hamburger Stadtteil Pöseldorf eröffnet hat, ist die wohl einzige Modeschöpferin ihrer Generation, deren Looks selbst nach beinah 50 Jahren ihren Reiz nicht verloren haben. So gesehen ist der Titel „Präsens“ ganz wunderbar gewählt für die Ausstellung, die aktuell im Frankfurter Museum für Angewandte Kunst zu sehen ist und das Schaffen Jil Sanders in all seinen Facetten beleuchtet.
„Ich habe immer an meine Vision von purem Design geglaubt und nie lockergelassen.”
Eineinhalb Jahre hat die Modedesignerin selbst an dieser umfangreichen Ausstellung mitgefeilt, die nun bis zum 6. Mai 2018 im Museumsbau des renommierten Architekten Richard Meier zu sehen ist, und viel mehr als eine simple Retrospektive ist. Denn „retro“ wirkt hier nichts. Weder die passgenauen Schnitte, die sich auf das Wesentliche fokussieren, noch der Einsatz qualitativ hochwertigster Materialien. „Was am Ende einfach und evident aussieht, ist die Frucht langen Experimentierens“, hat Jil Sander vor Jahren auf die Frage nach dem Geheimnis ihrer Handschrift geantwortet und auf diese Weise angedeutet, wie sehr ihr die Hektik von Fast Fashion und kurzlebigen Trend zuwider läuft.
„Ein Kleidungsstück ist perfekt, wenn man nichts mehr weglassen kann.”
Die weltweit erste Einzelausstellung in Frankfurt wird angereichert mit multimedialen Installationen und Tableaus, die Jil Sanders besondere Haltung zu Ästhetik, Mode- und Produktdesign sowie Architektur bis hin zu Gartenkunst beleuchtet. Auf rund 3.000 Quadratmetern werden verschiedene Bereiche, darunter Atelier, Laufsteg und Architektur, zu einer beeindruckenden Gesamtkomposition zusammengefügt.
„Ihr Purismus veränderte die Vorstellung von Schönheit“, betont Museumsdirektor Matthias Wagner K, der in der „Präsens”-Pressekonferenz auch auf Jil Sanders besondere Gesatltungsprinzipien hinweist, nämlich Harmonie, Understatement und dynamische Eleganz.
Zeitlos wirken auch die von Peter Schmidt kreierten Parfumflakons, die Modefotografien von Irving Penn, Nick Knight oder Peter Lindbergh und sogar Jil Sanders Auseinandersetzung mit Gegenwartskunst. Ihre letzte Kollektion für Frühjahr/Sommer 2014 war inspiriert von den Arbeiten des italienischen Künstlers Alighiero e Boetti, der die Entwürfe afghanischer Stickerinnen in riesige Teppiche verwandelt hat.
„Kleidung ist selbstverständlich ein Ausdruck von Kultur.”
Ob Bauhaus oder Neue Sachlichkeit, die sogenannte „Queen of Less“ hat die Mode vor allem für Frauen reformiert, und das quasi aus der Not heraus. „Man muss der Versuchung widerstehen, jede Leere zu füllen,“ erklärte Jil Sander einst, die bei ihren Kreationen stets auch an sich selbst gedacht hat und daran, was ihr fehlte und was sie persönlich mochte. Intensive Stoffrecherche, besondere Fertigungstechniken und einzigartige Silhouetten wurden bei ihr stets mit einem besonderen Purismus verknüpft, der mittlerweile als ikonografisch gilt. Was fehlt ist simple Effekthascherei, gewollt Modisches, also trendorientierte Kurzlebigkeit. Und genau das macht Jil Sander bis heute modern.
Fotos: Peter Lindbergh, Craig McDean, Quelle: Museum für Angewandte Kunst