„Ich habe mir abgewöhnt, privat zu leben!“ Daniel Kroh fackelt nicht lange, wenn man mit ihm über seine Mode im Allgemeinen und sein Hauptthema „Upcycling“ im Speziellen philosophieren möchte. Denn privat und beruflich wird bei dem gelernten Herrenschneider und Modedesigner schlicht nicht getrennt.
Daniel Kroh „lebt“ sein Label ReCLOTHINGS, bei dem er sich abgelegter Arbeitskleidung widmet, die er völlig neu gestaltet. Am Ende kommt handwerklich perfekte Mens- und Womenswear heraus, die mit ihrem eigenwilligen Look überzeugt. Individuelle Tragespuren sind unvermeidbar und sogar ausdrücklich erwünscht.
Ein Faible für Workwear hatte der gebürtige Hesse und Wahl-Berliner übrigens schon als Student. Damals hat er den Plan umgesetzt, die Mensa-Frauen an seiner Uni neu einzukleiden. Die Idee: Wer täglich ordentlich zupacken muss, kann das auch mit schickeren Klamotten tun als den immer gleichen Kitteln.
Also Fashion mit Funktion! Das pure Leben in der Mode liegt ihm eben mehr als kryptisch inszenierte Styles, die nur im Schaufenster oder auf dem Roten Teppich flott aussehen. Guter Stil in Kombination mit gutem Gewissen – das ist Daniel Krohs wichtigste Botschaft – und genau das symbolisiert auch ReCLOTHINGS, wie sich im Gespräch mit Fair Fashion schnell herausstellt:
Wie ist die Idee zu Upcycling Fashion entstanden?
Die Initialzündung hatte ich wohl, als ich im Jahr 2005 vor großen Containern mit aussortierter Arbeitskleidung stand. Ich arbeitete damals als Designer für eine Firma, die Arbeitskleidung für Mietservices entwickelte und anbot. Nach 30 Wäschen wurde aber alles regelmäßig entsorgt. Diese Mengen an Alt-Kleidern waren die pure Inspiration und meine ersten Prototypen entstanden in kürzester Zeit.
Deutliche Gebrauchsspuren sind für Dich also kein Problem?
Im Gegenteil! Danach richte ich mich sogar aus, wenn ich die Kleider in ihre Einzelteile zerlegt habe und mir Gedanken über die Schnittkonstruktion mache. Das Ziel, diese Gebrauchsspuren, die ja letztendlich Geschichten von Menschen erzählen, gestalterisch zu integrieren, ist mir ganz wichtig.
Liegt hier der Schlüssel zu Deinem Markenzeichen, das Dich von anderen Upcycling-Kollektionen unterscheidet?
Das kann man so sagen. Eins müssen wir uns immer wieder vor Augen führen: Mode ist Teil einer Wegwerf-Industrie – und dem versuche ich etwas entgegensetzen. Was die Arbeitswelt nicht mehr braucht, stellt ReCLOTHINGS in einen neuen Designkontext. Spuren harter Arbeit stellen die eigentlichen Filetstücke der Kollektion dar. Das extrem strapazierfähige Ausgangsmaterial wird zerlegt, neu kombiniert und in aufwendiger Handarbeit zu edlen Einzelstücken inszeniert. Daher ist meine allergrößte Inspiration auch der Mensch. Ohne ihn, wäre meine Mode nicht vorstellbar.
Individuell und eigensinnig – Menswear von ReCLOTHING passt sich seinem Träger an und nicht umgekehrt.
Gilt das auch für Deine Kunden? Hast Du da einen ganz bestimmten Typen vor Augen?
Den stelle ich mir gar nicht vor, der steht vor mir. Meine Kunden sagen mir klipp und klar, was sie sich vorstellen und haben niemals das Gefühl, dass ich ihnen etwas aufdrängen will. Wichtig ist die Freude am Unikat und die damit verknüpfte Unterstreichung der Persönlichkeit des Trägers. Konfektion gibt es bei mir nicht, dazu sind meine Teile zu individuell und handwerklich zu aufwendig. Als gelernter Herrenschneider achte ich natürlich auch darauf, die Kleidungsstücke ihrem Träger perfekt anzupassen. Wer von uns hat schon die exakten Maße einer Schaufensterpuppe?!
Glaubst Du, dass der Trend zu weniger Verschwendung und mehr Ressourcenschonung sich langfristig in der Mode hält?
Natürlich glaube ich das, sonst würde ich nicht das machen, was ich mache. Wir verschwenden einfach zu viele Ressourcen, obwohl wir insgeheim alle wissen, dass wir so nicht weitermachen können. Wenn ich dem mit meiner Arbeit etwas entgegensetzen kann, umso besser. Aber ich bin da ganz unverkrampft und tue Gutes mit reiner Kreativität. Mein Grundmaterial ist alte Arbeitskleidung, die sonst auf dem Müll landen würde. Ich verwende keine Chemikalien und lege Wert auf lokale Produktion. Der persönliche Kontakt zu meinen Kunden ist mir natürlich ebenfalls sehr wichtig.
Von bestimmten Trends oder Saisons machst Du Dich also nicht abhängig?
Ich sehe meine Kleidungsstücke als ständiger Begleiter. Die Kollektion wird kontinuierlich erweitert – aber unabhängig von Saisons und Trends. ReCLOTHINGS ist schließlich das Gegenteil von Wegwerfmode und wer sich dafür entscheidet, tut dies ganz bewusst. Mein Used Look ist nicht gekünstelt sondern authentisch. Darauf kommt’s an und darauf möchte ich mit meiner Kreativität aufmerksam machen. Am Ende ist es doch so: Wir leben, was wir konsumieren!
Vielen Dank für das Gespräch!