Denim, Design, Durchhaltevermögen – François Girbaud prägt seit über 40 Jahren die Modewelt und gilt als Erfinder der inzwischen umstrittenen Stonewash-Methode, bei der Denim seinen typischen Used Look erhält. Gemeinsam mit seiner Partnerin Marithé gründete er Mitte der 60er Jahre das Unternehmen Marithé & François Girbaud, das einen seiner vielen Höhepunkte mit US-Filmsternchen Jennifer Beals erreichte, die eins seiner Hosenmodelle im Film Flashdance im Jahr 1982 trug und damit einen wahren Girbaud-Hype auslöste. 1989, nur sechs Jahre später, präsentierte Girbaud erstmals eine wassersparend produzierte Jeans – lange bevor der Rest der Welt das Thema Nachhaltigkeit für sich entdeckte.
Längst könnte das Paar die Früchte des großen Erfolges genießen und sich in einem hübschen Haus am Meer gemütlich zur Ruhe setzen. Stattdessen engagieren sich die beiden Fashion-Pioniere für die Gesundheitsorganisation ALIS, die Friedensinitiative Seeds of Peace – und sind auch weiterhin in verschiedenen Bereichen kreativ tätig. Aktuellster Coup: Im Februar 2016 kündigte François Girbaud eine Kooperation mit der pakistanischen Denim-Weberei NDL Naveena Denim Ltd. an. Erklärtes Ziel: Endlich effektive textile Verfahren in der Jeansproduktion entwickeln, die definitiv nachhaltig und umweltfreundlich sind, ohne dem Dauerbrenner Denim seine große Innovationskraft zu nehmen.
Fair-Fashion.net traf François Girbaud zum Interview, um mehr über die Hinter- und Beweggründe seines neuesten Schachzuges zu erfahren:
Monsieur Girbaud, wie steht es mit Ihrem ganz persönlichen Verhältnis zum Thema Mode?
Tatsächlich liebe ich es, meine Kleidung möglichst lange zu tragen. Was ich nicht brauche, ist ständig etwas Neues. Wenn der Pulli, die Hose oder die Jacke dann irgendwann doch ruiniert ist, kostet mich der Weg zum Mülleimer jedes Mal eine große Überwindung. Dann geht das Spiel eben von vorn los!
Und wenn es um die professionelle Kreation eines neuen Kleidungsstückes geht?
Da versuche ich, auf kreativem Weg ein ganzes Universum um ein bestimmtes Kleidungsstück zu bauen. Ich stelle es mir in den unterschiedlichsten Situationen vor und überlege mir dann einen neuen Kontext, den die meisten Menschen nicht sehen würden. Konkret: Ich skribbele, male, klebe, koloriere sehr viel und bringe in meinen Zeichnungen beinah karikaturistisch auf den Punkt, was ich aussagen will. Manchmal schmeiße ich auch etwas weg, das meine Partnerin Marithé dann wieder aus dem Papierkorb fischt, weil sie vielleicht doch eine verwendbare Idee darin entdeckt. Irgendwann kommt ein Schnittmacher dazu, der mit mir gemeinsam neue Passformen und Konstruktionen entwickelt. Wir suchen dann die passenden Materialien und Techniken aus, die dazu passen. Der technische Fortschritt in der Bekleidungs- und Textiltechnologie hängt also immer eng mit meinen Arbeiten zusammen.
Neue Technologien in der Mode sind ein wichtiges Thema. Zumal Sie als Begründer der Stonewash-Methode gelten, die später von der Industrie perfektioniert wurde. Mittlerweile wissen wir, wie schädlich diese Verfahren für die Umwelt sind.
Ja, wir haben einen großen Fehler gemacht und ich muss zugeben, dass ich dazu beigetragen habe, unseren Planeten zu zerstören! Ursprünglich wollten wir lediglich das Thema Denim nach vorn bringen – und mussten am Ende einsehen, dass wir die Geister, die wir riefen, nicht mehr loswurden. Ich habe mich bereits 1989 nach dem Fall der Mauer dazu gemeinsam mit dem Regisseur Jean-Luc Godard künstlerisch geäußert, als wir sahen, dass alle Welt plötzlich seine Jeans mit giftiger Säure behandelte, um Snow- und Marmorwashed-Effekte herzustellen. Ich persönlich habe ab diesem Zeitpunkt mit diesen Technologien aufgehört und die Devise „Die Jeans ist tot, lang lebe die Metamorphojean“ vertreten. Aber offensichtlich war die Zeit für den Rest der Welt noch nicht reif dafür. Da mussten erst Skandale wie Fukushima etc. kommen, damit die Menschen verstehen, dass wir alle die gleiche Luft atmen und das gleiche Wasser zum Leben brauchen.
Also haben Sie das Thema Nachhaltigkeit für sich entdeckt?
Ich halte mich nicht für den größten Umweltschützer aller Zeiten aber Marithé & François Girbaud war schon immer ein Unternehmen, das mit einem Gefühl für die Umwelt gelebt hat. Viele Unternehmen versuchen heutzutage, sich mit Green Washing-Kampagnen zu profilieren oder ein Textilriese wäscht sich mit einer kleinen T-Shirt-Kollektion aus Biobaumwolle die Hände rein. So ist es eben und ich kann die Zeit natürlich nicht zurückdrehen – aber meine letzten aktiven Jahre möchte ich unbedingt diesem großen Thema widmen. Ich denke und hoffe, dass noch genug Zeit bleibt, um der Zukunft einen neuen Weg zu weisen.
Denim ist bei Marithé & François Girbaud ein immer wiederkehrendes Thema. Was ist das Ziel Ihrer jüngsten Kooperation mit NDL Naveena Denim Ltd?
Das Problem ist, dass die Menschen permanent neue Sachen haben wollen und das Material Denim verlangt einfach nach Innovation. Aktuell gibt es im Grunde keine wirklich umweltfreundlichen Maßnahmen; der immense Wasser- aber auch Chemieverbrauch bei der Denim-Herstellung ist nach wie vor eklatant. Meine Lösung? Ich arbeite nun eng mit der NDL Naveena Denim Ltd., einer der weltweit größten Denimwebereien, zusammen. Gemeinsam wollen wir völlig neue Wege einschlagen und Stoffe herstellen, um das Thema Denim wieder aufregend zu machen, ohne die Umwelt zu schädigen. Die Verwendung von Laser statt Wasser und Chemie ist unter anderem eine Möglichkeit.
Sie wirken hochmotiviert! Was inspiriert Sie?
Meine Stimmung? On the road again! Und ich stelle fest, dass Marithé & François Girbaud mittlerweile über eine Fangemeinde verfügt, die sich über drei Generationen erstreckt. Das motiviert natürlich ungemein. Was das Thema Inspiration betrifft: Ich suche nicht danach! Meine Inspiration ist das Leben. Wer wirklich offenen Auges durch die Welt geht, kommt automatisch auf neue Ideen.
Hat das aktuell herrschende Nachhaltigkeits-Fieber da eine Rolle gespielt?
Ach, wissen Sie, die Zeiten ändern sich ohnehin permanent und was die Fashion Community von Heute gerade hip findet, welche Stadt gerade angesagt ist und welche Styles nicht, kümmert mich nicht wirklich. Fakt ist: Ich habe viel Erfolg und Glück im Leben gehabt und im Grunde nichts zu verlieren – ich verfolge weiterhin konsequent mein Ziel und habe noch viel vor!
Vielen Dank für das Gespräch!
Fotos: Jacques Gavard